Darum geht's beim Start-up silana
Kleidung wird oft in Südostasien hergestellt. Das verursacht gleich mehrere Probleme: schlechte Arbeitsbedingungen, sehr langes Warten auf die neue Mode und extrem weite Lieferwege. Am schädlichsten für die Umwelt sind dabei die riesigen Mengen an CO2, die dadurch ausgestoßen werden.
Um das zu ändern, haben sich Michalel Hofmannrichter, Michael Mayr und Anton Wohlgemuth etwas einfallen lassen: Sie entwickeln einen eigenen Nähroboter und gründen ein Start-up: silana. Wie es dazu kam, was Street Style mit all dem zu tun hat und warum Anton sein Job so glücklich macht:
Das verrät er im Interview:
Hast du schon mal etwas angehabt, das euer Roboter genäht hat?
Ja, tatsächlich. Schon öfter.
Was denn?
Ein Tanktop. Bis jetzt kann der Roboter nur Tanktops fertigen – was heißt nur: Wir haben mit Tanktops angefangen und seit einem Monat steht der Roboter. Jetzt haben wir Tanktops in allen Größen und tragen die auch. Das Wetter passt nur noch nicht dazu (lacht).
Ihr wollt mit silana die Art und Weise, Kleidung herzustellen, revolutionieren. Wieso?
Kurze Background-Story: Wir haben 2019 damit begonnen, an einem Toolkit für junge Designer zu arbeiten – ähnlich, wie NikeID: Du kannst im Webbrowser etwas bestellen, ein T-Shirt zum Beispiel, aber kannst es anpassen.
Du kannst den Schnitt verändern, die Mode noch ein bisschen an deine Bedürfnisse anpassen und dich so selbst verwirklichen.
Daran haben wir ein Jahr lang gearbeitet, waren sehr tief in der Modebranche drin und sind dann draufgekommen, wie die ganze Produktion in der Modeindustrie abläuft.
Wie läuft das in der Modebranche ab?
Wir haben dann gesehen, dass es eigentlich ein ziemlich hartes Business ist und man als junger Designer das große Problem hat, dass die Fertigungskosten sehr teuer sind. Die hätten wir natürlich auch gehabt. Das größte Problem sind aber die langen Lieferzeiten. (…)
Dann gibt es da noch das allgemeine Problem, dass Mode so viel mehr zum Wegwerfprodukt wird, weil man Trends eben schwer voraussagen kann.
Also wollt ihr mit silana auch der Mode als Wegwerfprodukt entgegensteuern?
Genau. Viele meinen auch, dass wir mit unserem Roboter und unserem Produktionsweg Fast Fashion quasi anfeuern. Wir wollen aber gegensteuern, weil wir schneller und auch nahe am Verkaufsort kostengünstig produzieren können.
So wird nur das produziert, was auch verkauft wird. Wenn es gut läuft, kann man innerhalb von zwei bis vier Wochen nachbestellen. Und wenn es nicht gut läuft, hat man schon vorab nicht zu viel bestellt. Das war der erste Beweggrund für silana.
Was hat euch noch motiviert?
Wir haben ganz allgemein gesehen, wie (schlecht) die Arbeitsbedingungen in der Branche sind und was für einen großen Einfluss auf unsere Umwelt die Modebranche momentan hat. Da haben wir gesagt: OK, da müssen wir irgendwas machen. Dazu haben wir die ganze Produktionskette analysiert und geschaut, welche Schritte man verbessern könnte.
Das war dann der Nähprozess, weil es da in letzter Zeit – also in den letzten 50 Jahren – überhaupt keine Automatisierung gegeben hat. Seit dem letzten Jahr gibt es jetzt ein paar Unternehmen, die sich auch darauf fokussieren. Wir sind eins davon.
Was ist eigentlich deine Aufgabe als technischer Projektleiter bei silana?
Ich glaube, es entspricht ein bisschen dem Klischee: Ein Start-up-Gründer macht alles. Wir drei Gründer machen irgendwo alles. Bei mir ist es meist technisch. Das ändert sich aber auch sehr stark.
Als wir den Prototyp entwickelt haben, hat es eine Phase gegeben, in der wir uns rein auf die Hardware konzentriert haben. Das ist dann Hardware-Entwicklung. In der Hardware-Entwicklung mache ich aber mehr Projektmanagement: Also ich schaue, dass alle Parteien zusammenarbeiten, mache Vorgaben, teste das auch oder schreibe die Tests. Dann hat es einen Software-Part gegeben. Da war und bin ich auch operativ tätig, schreibe also auch den ganzen Code selbst. Außerdem arbeiten wir sehr viel mit Patenten. Jetzt gerade reichen wir 6 beziehungsweise 7 Patente ein.
Das ist auch sehr viel Aufwand. Dazu kommt noch das tägliche Gründer-Business. Der Prototyp ist jetzt fertig.
Was ging dir durch den Kopf, als euer Prototyp zum ersten Mal fertig vor dir stand?
Ehrlich gesagt, im ersten Moment war ich nicht zufrieden.
Warum warst du nicht zufrieden?
Der Prototyp, den wir jetzt haben, ist quasi noch unsere Idee von 2020. Wir haben extrem lang gebraucht, um das nötige Geld zu beschaffen, damit wir den fertigen können.
Gleichzeitig haben wir aber natürlich schon weitere Versionen von unserem Roboter geplant, die quasi mehr können.
Ein bis zwei Wochen nachdem der Prototyp fertig war, haben wir uns schon gedacht, dass wir bei Null angefangen und alles ziemlich schnell selbst geschafft haben. Das ist dann schon ein cooles Gefühl gewesen. Aber im ersten Moment war es eher so: OK, cool. Aber wir hätten so viele Features, die wir noch einbauen wollen und nicht haben. Das hat mich ein bisschen gestört.
Also hast du direkt wieder daran gedacht, wie man ihn weiter verbessern könnte?
Ja, genau.
Hast du dich eigentlich schon immer für Roboter und Robotik interessiert? Wie kommts?
Ja, habe ich tatsächlich. Ich bin der Steiermark auf dem Land aufgewachsen. Als ich klein war, habe ich mit meinem Opa zusammen an Autos herumgeschraubt. Ich habe selbst alle möglichen Sachen gebastelt, Dinge konstruiert und einfach herumgetüftelt. Das hat mir immer sehr viel Spaß gemacht.
Dann habe ich auch eine HTL für Automatisierungstechnik besucht und da ganz coole Sachen gemacht, auch bei meiner Diplomarbeit zusammen mit zwei Kollegen so einen kleinen Roboter-Schnittapparat entwickelt. Ich wollte mich eigentlich damals nach der HTL schon mit zwei Kollegen selbstständig machen in Richtung Anlagenbau. Wir sind aber draufkommen, dass wir noch ein bisschen mehr Wissen brauchen. (…)
…und dann?
Wir haben alle drei entschieden, dass wir noch studieren gehen. Am meisten gefehlt hat mir der wirtschaftliche Bezug. Deswegen habe ich Wirtschaftsinformatik studiert. Die Informatik hat mir immer am meisten Spaß gemacht – also dem Roboter Leben einzuhauchen. Dann habe ich an der TU Wien mit Data Science weitergemacht.
Erinnerst du dich noch an deinen ersten selbst gebauten Roboter?
Ich weiß nicht, ob man das als Roboter bezeichnen kann, wahrscheinlich schon. Ich war glaube ich 12, als ich so einen Kampf-Roboter gebaut habe. Auf DMAX hat es damals die Serie „BattleBots“ gegeben, und ich habe mir gedacht, es wäre cool, sowas zu machen. Dann habe ich an sowas herumgeschraubt.
Interessierst du dich auch für Mode? Ihr arbeitet ja in dem Bereich.
Ja, sehr sogar. Meine Eltern waren immer sehr an Kunst interessiert, deswegen war ich auf vielen Ausstellungen und so habe ich das einfach mitbekommen. Dann habe ich mit der Zeit Interesse für Street Style entwickelt, vor allem inspiriert von Virgil Abloh.
Das war ein riesiger Designer: Er hat mit Nike zusammengearbeitet, war Chefdesigner von Louis Vuitton und ist dann vor ein paar Jahren leider an Krebs verstorben. Mode war für mich einfach eine Kunstform, mit der man sich selbst ausdrücken kann. Das habe ich cool gefunden.
Was ist für dich das Spannendste an eurem Projekt?
Dass wir in einem Feld arbeiten, in dem es vor ein paar Jahren noch gar nichts gegeben hat.
Automatisierung ist in vielen Industrien schon extrem durchgedrungen, vor allem im Automobilsektor. Im Textilsektor gar nicht, weil die Hantierung mit schlaffen Materialien wie Textilien extrem schwer ist, weil es keine Festkörper sind. Jedes Textil verhält sich anders und hat andere Eigenschaften. Das heißt, es gibt keine fertigen Lösungen, sondern man muss sich überlegen, was man da machen kann.
An so einer großen Challenge zu arbeiten, bereitet mir sehr viel Freude. Gleichzeitig macht mich die Kombination im Start-up sehr glücklich – auch deshalb, weil ich mit zwei Freunden gegründet habe, wir uns einfach super gut verstehen und schon Jahre zusammenarbeiten.
Und der dritte Punkt ist wirklich, dass das Produkt, an dem wir arbeiten, die Welt positiv beeinflussen könnte.
Das ist jetzt kein Greenwashing oder etwas, womit man es schönredet. Man hat wirklich einen großen Impact auf einen riesigen Sektor, und das macht mich sehr glücklich.
Ist Nachhaltigkeit & Co schon vorher ein Thema für euch gewesen?
Für uns ist es vor allem beim Designer-Toolkit, das wir machen wollten, ein Thema gewesen. Daran haben wir ja (2019) ein Jahr lang gearbeitet. Aber wir haben uns alle gesagt: Es macht uns nicht wirklich glücklich.
Man gründet ein Start-up, damit man schnell Geld macht – jetzt vielleicht nicht sehr schnell. Aber im Endeffekt war es schon darauf ausgerichtet, dass man es verkauft. Wir haben den Mehrwert dabei nicht wirklich gesehen. Es hat Spaß gemacht, an dem Projekt zu arbeiten, und vor allem auch die Aussicht darauf, sich so vielleicht selbstständig machen zu können.
Mit silana ist es so, dass man wirklich weiß oder hofft, dass man etwas Gutes schafft. Das macht uns sehr glücklich. Also für uns alle drei – das haben wir von Anfang an schon gewusst – geht‘s bei silana auch nicht darum, schnell ein paar Mal Geld aufzutreiben und dann aus dem Unternehmen auszusteigen.
Das ist eher ein Projekt, das wir über Generationen fortführen wollen und einfach versuchen möchten, die Textilindustrie besser zu gestalten.
Ein erfolgreiches Robotik-Projekt haben auch vier HTL-Schüler gestartet. Hier erfährst du mehr.