Raphaela Bortoli

Raphaela Bortoli | Von Opas Werkstatt zum Role Model des Jahres 2021

Von LET’S TECH am 7.12.2021

Mit Technik hat Raphaela in ihrer Ausbildung zuerst wenig zu tun. Bevor sie an die HTL geht, besucht das Girls! TECH UP-Role Model des Jahres eine Schule, auf der es weder Jungs noch technischen Unterricht gibt. Heute ist sie technische Ausbilderin bei Siemens und unterrichtet selbst. Hier erzählt Raphaela, welcher Zufall das möglich gemacht hat. Wieso sie Role Model werden wollte. Und weshalb es fast nicht geklappt hätte, auf ihre Traumschule zu gehen.

Du bist Girls! TECH UP-Role Model 2021 geworden: Was ist dir als erstes durch den Kopf gegangen, als du das erfahren hast?

„Cool, damit habe ich jetzt eigentlich nicht gerechnet.“ Der nächste Gedanke war, es würde mich interessieren, wie viele Stimmen ich bekommen habe. Dann habe ich eh schon überlegt, wen ich zur Preis­verleihung mitnehme (lacht).

Wie kam’s eigentlich dazu, dass du dich als Girls! TECH UP-Role Model beworben hast?

Durch meinen Niederlassungs­leiter (Herr Schallmeiner). Er hat mich auf die Initiative aufmerksam gemacht und mich gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könnte, mitzumachen. Daraufhin habe ich mir gedacht: „Eine supercoole Aktion! Es gehören noch immer weit mehr Frauen in die Technik.Ich bin selbst durch eine Mädchen­-Initiative in die Technik gekommen. Deshalb darf man keine Gelegenheit auslassen, auch andere zu motivieren.

Woher kommt dein tech­nisches Interesse und wie bist du auf die HTL gekommen?

Durch die „Power Girls“– eine Initiative, um Frauen für Technik zu begeistern. Es war das erste Jahr, in dem es dieses Angebot gab – zumindest in Ober­österreich.

Meine Klassen­leiterin hat damals gesagt, ich soll nicht an der Initiative teilnehmen, weil meine Noten nicht gut genug sind. Daraufhin hat meine Mutter angerufen und gesagt, ich darf und soll das auf jeden Fall machen. Somit hat es dann geklappt.

Die Gewinnerin hält einen pinken Award in der Hand

Was habt ihr bei den Power Girls gemacht?

Wir sind im Kletter­park gewesen, haben uns verschiedene Schulen angeschaut und an allem, das irgendwie mit Technik zu tun hatte, teil­genommen. Unter anderem waren wir auch einen Tag Schnuppern in der HTL Paul Hahn. Das hat mir total gut gefallen. Ich habe einen Fuß in die HTL gesetzt und gewusst, da will ich hin. Das will ich machen.

Vorher hast du keine Berührung­spunkte zur Technik gehabt?

Doch, Technik hat mich schon vorher interessiert. In der Volks­schule hatten wir auch Technisches Werken als Fach. Da hat sich schon heraus­kristalli­siert, dass ich darin ganz gut bin. Ich war auch viel bei meinem Opa in der Werk­statt und habe ihm beim Motor­räder-Zusammen und -Auseinanderbauen geholfen. Zumindest habe ich vermutet, dass ich hilf­reich bin. Im Nach­hinein war ich dann doch keine so große Hilfe (lacht).

Als Kind?

Genau. Handwerk­liches habe ich immer gerne gemacht. Der Knack­punkt war dann aber die Initiative mit den Power Girls – als ich in die HTL gekommen bin.
Raphaela Bortoli
Credits: Siemens AG/ C. Lettner

Wie lief deine Aus­bildung ab?

2009 bis 2015 war ich an der HTL Paul Hahn für Elektro­technik mit Schwerpunkt Energie­technik und industrielle Elek­tronik. Zuerst habe ich ein Jahr Fach­schule gemacht und bin dann auf die Höhere aufgestiegen. Da habe ich dann ganz normal fünf Jahre absolviert.

Meine Noten in der Haupt­schule waren nicht gut genug, um direkt in die Höhere zu starten. Wobei es sehr gut war, dass ich die Fach­schule gemacht habe.

Weil ich zuerst auf einer reinen Mädchen­schule war: bei den Franzis­kanerinnen in Linz. Dann bin ich in eine reine Burschen­klasse gekommen – da war ich das einzige Mädel.

Wie ging's dir damit?

Naja, es hat mir einmal alle Synapsen umgedreht (lacht). Dann bin ich in die Puber­tät gekommen. Darum war das eine Jahr an der Fach­schule sehr gut für mich, um mich zu akklima­tisieren. Auch, dass ich ein Jahr später dann wirklich mit der Höheren angefangen habe – als meine Synapsen dann wieder da waren, wo sie hingehören.

Bildest du viele Mädels und junge Frauen aus?

Jedes Jahr haben wir ein bis zwei. Es können aber gerne noch mehr werden!

Wie schlagen sich die wenigen Frauen?

Großteils lassen sie die Männer im Wind stehen, weil sie so gut sind. Wenn du als Frau in die Technik gehst, entschei­dest du dich ja bewusst für so einen Beruf. Das willst du selbst. Da ist eine ganz andere Motivation im Hinter­grund.

Trauen sich die Frauen an­sonsten immer noch nicht so sehr an technische Berufe ran?

Ich glaube, dass das noch viel zu wenig geför­dert wird. Man sollte schon in der Volks­schule oder im Kinder­garten weit mehr in diese Richtung ermutigen. Das muss nichts Groß­artiges sein. Oft reicht schon: „Schau mal, ob du das nicht vielleicht zusammen­bauen kannst.“

Hättest du gedacht, dass du mal da landest, wo du heute bist?

Als Kind war mein Traumjob Tier­ärztin (lacht). Meine Schwester ist jetzt Tier­ärztin. Aber wenn mir jemand nach der HTL gesagt hätte, dass ich Lehrlings­ausbilderin werde, hätte ich geantwortet: „Ich werde jetzt sicher keine Lehrerin. Das interessiert mich überhaupt nicht.“ Nein, das hätte ich gar nicht gedacht. Auch nicht, dass es mir so viel Spaß macht.

Wie hast du entdeckt, dass dir der Job als technische Ausbilderin so gut gefällt?

Ich bin durch Zufall hier rein­gestolpert: Direkt nach der Schule habe ich bei der Firma Recom in Gmunden in der Qualitäts­kontrolle gearbeitet. Meine Mutter war im selben Unter­nehmen wie ich und zuständig für die kauf­männischen Lehrlinge.

Ich bin aus Gmunden heim­gefahren, und habe bei meiner Mutter in Wels vorbeigeschaut. Da fand gerade die Jugend- und Berufs­messe statt und sie hat einen Stand betreut.

Wie ging’s weiter?

Auf ihrem Messe­stand waren zwei Löt­stationen aufgebaut. Mein jetziger Chef hat mit Interessen­ten gelötet. Meine Mutter hat gerade mit Eltern gesprochen und der eingeteilte Lehrling war gerade nicht am Stand. Dann sind zwei Mädels zu uns gekommen, die auch gerne löten wollten. Ich habe zu ihnen gesagt „passt, machen wir“ und habe mit ihnen gelötet, obwohl ich eigentlich nicht eingeteilt war.

Dass ich mich einfach hingesetzt und mir nichts dabei gedacht habe, hat meinem (jetzigen) Chef so gefallen, dass er mich gefragt hat, ob ich mir das nicht vorstellen könnte. So bin ich rein­gerutscht – und bereue es auf keinen Fall. Es gefällt mir irrsinnig gut.

Was magst du besonders an deinem Job?

Zwei Dinge: Jeder Tag ist anders und bringt andere Anfor­derungen mit sich. Einen neuen Tag im Voraus zu planen, ist deshalb sehr schwer. Menschen haben nicht jeden Tag dieselbe Gemüts­verfassung. Da ist meine Sozial­kompetenz gefordert – weil ich auf sie eingehen möchte.

Und die Zweite Sache?

Die zweite coole Sache ist natürlich meine ganze Fach­kompetenz. Ich brauche einen großen Teil von meinem Wissen das ganze Jahr über – weil ich es weiter­geben muss.

Und das Schöne bei Siemens ist ja, dass wir ein Digita­lisierungs­unter­nehmen sind und bei der neuesten Technik immer vorne dabei sind. Aber ich kann nichts unter­richten, wo ich mich selbst nicht auskenne. Das heißt, ich muss mich auch selbst weiter­bilden.

Da bekomme ich von Firmen­seite her jede Unterstützung. Ich darf mit Technikerinnen und Technikern auf Baustellen fahren und mir Dinge auch in der Praxis ansehen. Es gibt für (fast) jedes Thema Online-­Trainings. Wenn man sich weiterbilden möchte, stehen also sehr viele Möglichkeiten offen. Und das schätze ich sehr.

Raphaela Bortoli beim Laborunterricht
Laborunterricht. Credits: Siemens AG/ C. Lettner

Dann bist selbst immer auf dem neuesten Stand?

Genau. Das ist einfach etwas Schönes. Ich habe keinen Stillstand.

Wie gehst du damit um, wenn mal etwas doch nicht so klappt wie es soll?

Schauen, dass ich das Beste daraus machen und etwas daraus lernen kann. Ich bin ein sehr positiver Mensch. Wenn ich wirklich einmal Hilfe brauche, kann ich jeder­zeit fragen.

Was machst du eigentlich, wenn du nicht arbeitest?

Wir haben ein cooles Familien­hobby – Motorrad­fahren. Ich fahre leiden­schaftlich gern. Dann bin ich zurzeit irrsinnig gerne auf den Bergen unterwegs. Das ist ein guter Ausgleich für mich. Ich muss irgendwo in die Natur raus. Eigentlich habe ich Freizeit­stress in den Bergen: Ich weiß nicht, ob ich Motorrad­fahren, Ski­fahren, Wandern oder auf einen Kletter­steig gehen soll. Das alles mache ich mit meinem Mann zusammen.
Rapheala Bortoli am Berg
Credits: privat

Hast du zum Schluss noch einen Tipp für Frauen, die sich auch für Technik interessieren?

Einfach mutig und neugierig sein und sich etwas trauen. Und sich nicht unter­kriegen lassen.

Let's role!

Das könnte dich auch interessieren:

Von Instagram

Girls! Tech Up - Projektpartner

Ask a scientist.

Wie kommt der Strom ins E-Bike? Was kann der klügste Roboter? Warum ist mein Internet heute so langsam? Oder brennt dir eine ganz andere Frage unter den Nägeln? Stelle sie hier!