Fotografie von Mag. Ivan Poropat in der Schule

Ivan Poropat | Physikunterricht mit „Aha“-Effekt

Von Kerstin Kotal am 18.05.2021

Das BG/BRG Pichelmayergasse in Wien-Favoriten hat bereits zweimal den Preis für die Schule mit den meisten Einreichungen beim Videowettbewerb der OVE-Initiative ScienceClip.at in Kooperation mit AIT gewonnen. Verantwortlich für diesen Erfolg zeichnet vor allem ein besonders engagierter Lehrer: Mag. Ivan Poropat, der an der Pichelmayergasse Physik und Technisches Werken unterrichtet. Die e&i bat ihn zum Gespräch.

Ein Interview mit Ivan Poropat: Wie man als Physiklehrer Schüler*innen zum Filmen motiviert

e&i: Die Schülerinnen und Schüler des BG/BRG Pichelmayergasse konnten sich in den Jahren 2015 und 2016 dank einer Vielzahl von Beiträgen, die beim ScienceClip.at-Videowettbewerb eingereicht wurden, den „Preis für die Schule mit den meisten Einreichungen“ sichern. Wir freuen uns sehr über die rege Beteiligung und fragen uns: Wie schaffen Sie es, so viele Schüler*innen zu motivieren, ein Video zu produzieren und sich dabei intensiv mit einem naturwissenschaftlichen und/oder technischen Thema zu befassen?

Mag. Ivan Poropat: Ich bin der Meinung, dass man Physik oder Naturwissenschaften zwar erlernen kann, dass erleben aber besser ist. Deshalb motiviere ich die Kinder, dass sie Videos von den Phänomenen machen, die wir in Physik gerade erarbeiten. Auf diese Weise setzen sie sich vertieft damit auseinander und verstehen das Phänomen. So ein Video mit einer naturwissenschaftlichen Erklärung darin ist dann ein freiwilliger Teil des Unterrichts, mit dem die Kinder viele Mitarbeitsplus verdienen können.

Ich gebe meinen Schüler*innen am Anfang des Schuljahres einen Crashkurs in Sachen Videobearbeitung – die meisten von ihnen sind ja heute mit hochwertigen Kameras und mit Schnittprogrammen auf ihren Smartphones ausgestattet. Die Videos produzieren die Kinder dann in ihrer Freizeit und präsentieren sie im Unterricht. Ich selber verwende auch mein Handy und mein Tablet im Unterricht, filme bei Experimenten direkt mit meiner Slowmotion-Kamera mit und spiele es den Schüler/innen vor. Dann kommt zumeist: „Wow, schau, was da wirklich passiert! Das will ich auch machen!

Kinder lieben ja alles, was erstaunlich ist – und das trifft auf viele physikalische Phänomene zu. Deshalb sollte man vor dem rechnerischen Zugang erst einmal die Geheimnisse, die hinter physikalischen Phänomenen stecken, transparent darstellen. Wenn die Kinder etwas sehen, das bei ihnen einen „Aha-Effekt“ auslöst, dann ist ihr Interesse geweckt, und genau darum geht es.

Ivan Poropat über das Lernen: "Gehe nicht weiter, solange du es nicht verstehst"

e&i: Viele Kinder haben in der Volksschule noch ein lebhaftes Interesse an naturwissenschaftlichen Themen, das allerdings im Lauf der Sekundarstufe oftmals abnimmt oder gänzlich verschwindet. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Mag. Ivan Poropat: Als angehender Lehrer wird man an der Universität mit großen Mengen an Theorie und Wissen konfrontiert. Dann kommt man in die Schule, ist voll mit Wissen und will das unbedingt weitergeben, hat aber wenig Zeit. Dabei denken viele Lehrer*innen dann nicht daran, wie es für sie war, ein Kind zu sein, was sie begeistert und interessiert hat.

Die Kinder wiederum lernen schon in der Volksschule vieles auswendig, oft ohne es zu verstehen. In den Naturwissenschaften funktioniert das nicht wirklich – Chemie oder Physik einfach nur auswendig zu lernen, ist sehr viel Arbeit und man hat nichts davon, wenn man es nicht auch versteht. Ohne Verständnis verschwindet auch das Interesse.

Ich nehme mir Zeit, zuerst einmal nicht Physiklehrer zu sein, sondern Pädagoge, der den Kindern beibringt: Wie lernt man Naturwissenschaft? Das lernst du nicht auswendig, sondern du liest etwas, und sobald du etwas nicht verstehst, fragst du entweder deinen Lehrer oder suchst im Internet nach Antworten, gerne auch in Form eines Videos. Aber gehe nicht weiter, solange du es nicht verstehst.

Physik im Unterricht: Warum man als Lehrer*in der Praxis den nötigen Raum geben sollte

e&i: Wie kann man den Physik-Unterricht in der Schule attraktiv gestalten und Schüler*innen für dieses Fach interessieren? Welches Rüstzeug sollten künftige Pädagog*innen dazu in der Lehrer*innen-Ausbildung erhalten?

Mag. Ivan Poropat: Alles, was nur trockene Theorie ist und keinen Bezug zum tagtäglichen Leben der Kinder hat, interessiert sie meist nicht. Punkt eins ist also, diesen Bezug zu finden. Punkt zwei, und der ist auch der Grund dafür, dass ich den Lehrerjob liebe: Ich kann meinen Unterricht an meine Persönlichkeit anpassen, ich unterrichte also so, wie ich bin. Ich muss den Kindern selbstverständlich den gesetzlich vorgeschriebenen Lehrstoff beibringen, aber wie ich das mache, ist meine Sache.

Natürlich haben wir – so geht es wahrscheinlich Lehrern aller Unterrichtsfächer – viel zu wenige Stunden, aber es zahlt sich trotzdem aus, ein paar Stunden zu „opfern“ und den Kindern Zeit zu geben, um selber zu recherchieren, auszuprobieren und zu beobachten und vor allem um nachzudenken. Für die Recherche oder eben auch das Filmen dürfen sie durchaus ihre Handys verwenden. Bücher sind toll, und aus ihnen kann man wirklich sehr viele Fakten und sehr viel Wissen erlernen, aber wenn sie es wirklich erleben, wenn sie diesen Aha-Effekt haben, dann haben die Kinder es tatsächlich verstanden.

Ich sage den Kindern immer: Wenn ihr Physik nur für den Test auswendig lernt, ist es danach wieder weg. Wenn ihr es aber einmal erlebt, wenn ihr es selber ausprobiert, dann habt ihr es für immer.

Wie man an der Universität die Lehramtsstudierenden auf den Alltag in der Schule anders vorbereiten könnte, weiß ich nicht. Sie werden pädagogisch ausgebildet, sie haben sehr viel Wissen, sie machen auch praktische Erfahrungen und sehen dort ja alles. Aber erst, wenn du wirklich alleine alles erledigen musst und keinen Betreuer mehr an deiner Seite hast, dann kommt die Realität – und die hängt stark von der jeweiligen Schule ab und lässt sich somit nicht vorwegnehmen.

Traumjob Lehrer: Was seinen Beruf für Ivan Poropat so besonders macht

e&i: Warum haben Sie sich für Physik entschieden? Und was mögen Sie an Ihrem Beruf als Lehrer?

Mag. Ivan Poropat: Ich habe nach der Matura eigentlich sehr lange überlegt, was ich machen soll. Ich war während der Oberstufe als Animateur tätig, und es hat mir Spaß gemacht, mit Jugendlichen zu arbeiten und Projekte, Veranstaltungen etc. mit ihnen durchzuführen. Physik war immer irgendwie mein Lieblingsfach, und weil der Unterricht so trocken war, habe ich mir oft vorgestellt: Das könnte ich anders, das könnte ich besser erklären. Das ist nicht so langweilig, wie es hier klingt. So habe ich mich dann für Physik und Technisches Werken entschieden, ein wenig wohl auch aufgrund des Einflusses meiner Eltern – meine Mutter ist Lehrerin für Mathematik und Physik, mein Vater unterrichtet Technisches Werken.

Ich bin mit meiner Berufswahl überglücklich, ich habe Spaß am Unterrichten und arbeite sehr gern mit den Kindern. Und ich kann absolut sagen, dass es keinen Tag gibt, an dem ich bei der Arbeit nicht lache. Was kann einem Besseres passieren?

"Physik ist nicht abstrakt": Ivan Poropat will Wissenschaft greifbar machen

e&i: Der Anteil von Mädchen und Frauen in technischen Berufen ist nach wie vor gering. Bemerken Sie auch im Physikunterricht ein unterschiedlich starkes Interesse von Mädchen und Buben? Haben Mädchen einen anderen Zugang als Buben, auf den man vielleicht mit geänderten Unterrichtsmethoden reagieren könnte?

Mag. Ivan Poropat: Im Schulunterricht kann ich – zumindest in der Unterstufekeinen Unterschied beobachten, weder was das Interesse noch die Herangehensweise betrifft. In der Oberstufe fällt mir auf, dass manche Mädchen weniger an abstrakten Dingen interessiert sind. Mit denen arbeite ich dann besonders gerne, weil ich gerade sie begeistern und ihnen erklären will: Physik ist nicht abstrakt. Du wendest jeden Tag eine Vielzahl von physikalischen Gesetzen an, vom Aufstehen bis zum Schlafengehen, beim Essen und Trinken etc. Es ist dir nur nicht bewusst.

Wenn es um die Produktion der Videos geht, sehe ich schon, ob jemand bemüht ist oder es nur gemacht hat, um ein Mitarbeitsplus zu bekommen. Aber wie Mädchen oder Burschen Physik sehen, aus welcher Perspektive, da sehe ich keinen Unterschied. Beide gehen das kreativ an, und ich bekomme tolle Projekte von beiden Seiten. Vielleicht sind die Mädchen ein bisschen ehrgeiziger.

Bei meinen Physik-Maturanten ist das Verhältnis von Mädchen und Burschen etwa 50:50.

Unser jährlicher Videowettbewerb: Warum sich das Mitmachen lohnt!

e&i: Wodurch hebt sich das BG/BRG Pichelmayergasse von anderen Schulen ab? Was macht Ihre Schule richtig, um in den Naturwissenschaften so erfolgreich zu sein?

Mag. Ivan Poropat: Ich glaube, es funktioniert so wunderbar, weil wir bei den Naturwissenschaftslehrer*innen so ein tolles Klima haben. Wir machen gemeinsam Projekte, wir unterstützen und helfen einander und trinken in der Pause gemeinsam Kaffee. Es gibt keine Einzelgänger. Wenn jemand Requisiten für „Zaubertricks“ kauft, dann stehen die allen zur Verfügung, Neuigkeiten, die eine*r von uns entdeckt, werden sofort mit den anderen geteilt. Ich glaube, dass wir die Kinder auch deswegen motivieren können, weil wir selber so motiviert sind.

Unsere Erfolge beim Videowettbewerb von ScienceClip.at haben uns jedenfalls schon wertvolle Kontakte gebracht: Die FH Campus Wien wurde dadurch auf uns aufmerksam und ist mit uns eine Kooperation eingegangen. Solche Partnerschaften sind für uns und unsere Schüler*innen natürlich eine Bereicherung.

e&i: Mitte September hat die OVE-Initiative ScienceClip.at in Kooperation mit AIT den 5. Wissenschafts-Videowettbewerb für Schülerinnen und Schüler gestartet: Ist vom BG/BRG Pichelmayergasse heuer ein Hattrick zu erwarten?

Mag. Ivan Poropat: Jetzt definitiv! Eigentlich wollten wir es ganz entspannt angehen, nun müssen wir allerdings wohl oder übel unseren Ruf verteidigen (lacht). Ich kann nur wieder versuchen, die Kinder zu motivieren, sie machen ja die ganze Arbeit.

Ich möchte aber an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, um mich für dieses Projekt zu bedanken. Ihr freut euch, wenn viele mitmachen, und wir freuen uns wirklich, dass wir wo mitmachen können und die Chance auf einen Preis haben. Ich sehe das als einen Gewinn für mich und für die Kinder. Was gibt es Besseres, als den Kindern Newton’sche Gesetze so zu erklären, dass sie dann selber daraus ein Video machen können und im Optimalfall sogar einen Preis dafür bekommen? Danke im Namen aller Physiklehrer und Naturwissenschaftler.

Sport kommt nicht zu kurz: Was ein Physiklehrer in seiner Freizeit macht

e&i: Wenn man so stark in seinem Beruf aufgeht, gibt es dann noch Hobbies?

Mag. Ivan Poropat: Ja, absolut. Der Großteil meiner Freizeit gehört natürlich der Familie. Meine Frau und meine Tochter stehen bei mir an erster Stelle, und in Wien gibt es mit den beiden so viel zu tun, so viel zu sehen. Außerdem fahre ich gerne mit dem Mountainbike durch den Wienerwald und spiele Fußball oder Squash. In meiner Freizeit in der Schule lese ich gerne online Autozeitschriften oder IT-Zeitschriften und verfolge aktuelle Entwicklungen. Als Kind wollte ich anfangs gerne Automechaniker, Elektriker oder Rennfahrer werden. Aber es kam bekanntlich anders, und darüber bin ich auch sehr froh.

e&i: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führten Peter Reichel und Kerstin Kotal im Jahr 2018.

Mehr über den jährlichen Videowettbewerb und alle anderen Projekte von LET’S TECH erfährst du hier!

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