Agnes Pockels: Chemikerin und Autodidaktin
Agnes Luise Wilhelmine Pockels kam am 14. Februar 1862 in der italienischen Hafenstadt Venedig zur Welt. Ihr Vater war in der österreichischen Armee tätig, deswegen reiste die Familie viel umher, bevor sie sich in Braunschweig, Deutschland, niederließ. Dort besuchte Pockels ab einem Alter von zehn Jahren die Städtische Höhere Töchterschule, die sie 1877 abschloss. Matura machte sie keine, da das zur damaligen Zeit für Mädchen noch verboten war.
Dem Bruder sei Dank: So eignete sich Agnes Pockels ihr Wissen in Physik an
Während ihrer Schulzeit bekam Agnes Pockels hauptsächlich Unterricht in Religion, Sprachen und Handarbeit. Die Naturwissenschaften wurden in ihrer Ausbildung vernachlässigt. Nur in ihrem letzten Jahr hatte sie überhaupt Physikunterricht. Die Deutsche begeisterte sich sofort für physikalische Themen wie Licht, Magnetismus und Elektrizität und hätte nach der Schule am liebsten Physik studiert. Allerdings durften Frauen zu der Zeit noch nicht Physik studieren und selbst wenn, hätten Agnes‘ Eltern ihr das nicht erlaubt. Sie hatte den Haushalt zu führen und die kränklichen Eltern zu versorgen, wie es für Frauen damals üblich war.
Agnes Pockels‘ jüngerer Bruder studierte aber Physik und wurde später Professor für theoretische Physik in Heidelberg. Er nahm die Interessen seiner Schwester ernst und versorgte sie mit naturwissenschaftlichen Fachbüchern und Publikationen. Agnes durfte zwar keine Universität besuchen, aber so konnte sie sich das Wissen zumindest im Selbststudium aneignen – sie wurde also zur Autodidaktin.
Auch die Forscherin Caroline Eichler konnte als Frau nicht auf der Universität studieren – davon ließ sie sich aber nicht abhalten: Hier erfährst du, wie Caroline trotz gesellschaftlicher Benachteiligung zur Erfinderin wurde!
Kreativ: Wie Agnes Pockels die Küche zum Labor machte
Mit ihren selbst erlernten Fähigkeiten begann Agnes Pockels Zuhause mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu experimentieren. Durch ihre Beobachtungen beim Geschirrabwaschen war sie besonders von der Oberflächenspannung des Wassers fasziniert. Deren Veränderung durch Verunreinigungen untersuchte die Autodidaktin mit der Zeit genauer. 1882, mit nur 20 Jahren, entwickelte sie eine Schieberinne, mit der diese Veränderungen gemessen werden konnten. Diese Rinne trägt ihr zu Ehren mittlerweile den Namen „Pockels-Trog“.
Durch die Unterstützung des britischen Physikers Lord Rayleigh konnte Pockels 1891 ihre Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Oberflächenspannung in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlichen. In den nächsten Jahren folgten weitere wissenschaftliche Publikationen, diesmal auch im deutschsprachigen Raum.
1913 starb Pockels‘ Bruder. Danach hatte die zu dem Zeitpunkt 51-Jährige keinen Zugang zu Fachliteratur mehr und damit auch keinen Zugang zu wissenschaftlichen Kreisen. In ihren letzten Jahren konnte die Deutsche so keine großen wissenschaftlichen Entdeckungen mehr machen. Sie starb am 21. November 1935 im Alter von 73 Jahren.
Mädchen in die Technik: Das wird heute im Namen Agnes Pockels' unterstützt
Für ihre Leistungen auf dem Gebiet der Oberflächenchemie wurde Agnes Pockels mehrfach ausgezeichnet. In München gibt es beispielsweisen den Agnes-Pockels-Bogen. Die Technische Universität Braunschweig verleiht seit 1992 die Agnes-Pockels-Medaille und hat ein Agnes-Pockels-SchülerInnen-Labor eingerichtet, in dem vor allem Mädchen die spannende Welt der Chemie entdecken können.
Henri Poincaré: Mathematiker und Universalgenie
Jules Henri Poincaré wurde am 29. April 1854 in Nancy, Frankreich, als Sohn eines Medizinprofessors geboren. Als Kind erkrankte er lebensbedrohlich an Diphterie. Danach war er eine Weile gelähmt und hatte Probleme beim Sprechen. Zunächst erhielt der junge Franzose Privatunterricht, bevor er 1862 die Schule besuchte. Schon zu dieser Zeit zeigte sich sein mathematisches Talent.
Mathe, Physik, Philosophie: Henri Poincaré hatte viele Interessen
1873 begann Henri Poincaré ein Mathematikstudium an der renommierten Pariser Hochschule École polytechnique. Nach dessen Abschluss studierte er an der Bergbauschule und war dann für kurze Zeit als Bergbauingenieur und Mineninspektor tätig. Währenddessen arbeitete er bereits an seiner Doktorarbeit über besondere Differentialgleichungen. 1879 promovierte der Mathematiker und wurde nach kurzer Lehrtätigkeit an der Universität in Caen Professor an der berühmten Pariser Universität Sorbonne.
Henri Poincarés dortige Forschungsgebiete waren vielfältig und erstreckten sich von Mathematik über Physik und Astronomie bis hin zur Philosophie. Mit seinen Arbeiten erlangte er bald internationale Berühmtheit und zählte ab Ende des 19. Jahrhunderts zu den besten Mathematikern weltweit.
In der Mathematik leistete Henri Poincaré wichtige Beiträge auf dem Gebiet der Geometrie, der Differentialgleichungen und der algebraischen Topologie, die er begründete. Die nach ihm benannte Poincaré-Vermutung zählt zu den sogenannten Millenium-Problemen, den bekanntesten ungelösten mathematischen Fragestellungen unserer Zeit. 2002 konnte sie von einem russischen Mathematiker gelöst werden.
Kein reiner Theoretiker: Die Praxis war Henri Poincaré stets wichtig
Auch in der Physik machte Henri Poincaré große Entdeckungen. 1905 veröffentlichte er ein Werk mit den mathematischen Grundlagen für die spezielle Relativitätstheorie, kurz bevor Albert Einstein seine eigene Entdeckung der Öffentlichkeit präsentierte. Der Mathematiker beschränkte sich aber auf die klassische Mechanik, anders als Einstein, der eine völlig neue Theorie aufstellte.
Henri Poincaré zeichnete sich in seiner Arbeit dadurch aus, dass er sich als Mathematiker und Ingenieur nicht mit der bloßen Theorie zufrieden gab, sondern großen Wert auf das Zusammenspiel von Theorie und Praxis legte. Er verfasste daher auch Lehrbücher für Elektroingenieure und entwickelte ein Verfahren, um Zeitsignale an Schiffe auf See zu übermitteln.
Henri Poincaré war bis zu seinem Lebensende in Paris an der Sorbonne tätig – zur selben Zeit wie Marie Curie, die dort als erste Frau lehrte. Er starb am 17. Juli 1912 an den Folgen einer Operation. Der Mathematiker wurde nur 58 Jahre alt.
Henri Poincaré wurde nicht Vergessen: Sogar eine Universität ist nach ihm Benannt
Aufgrund seiner wissenschaftlichen Leistungen wurde Henri Poincaré vielfach geehrt. Obwohl er Zeit seines Lebens mehrfach für den Nobelpreis vorgeschlagen wurde, hatte er nie einen erhalten. Ihm zu Ehren heißt die Universität in seiner Geburtsstadt Nancy heute Université Henri Poincaré. Seit 1997 wird der Henri-Poincaré-Preis für mathematische Physik verliehen und sein Name kommt in vielen mathematischen Bezeichnungen vor.
Auch die Physikerin Lise Meitner wurde mehrmals für den Nobelpreis nominiert, ohne ihn je zu erhalten – wie oft genau, erfährst du hier!
Quellenverzeichnis
Chemistryviews.org (2012): 150th Birthday of Agnes Pockels, [online] https://www.chemistryviews.org/details/ezine/1453259/150th_Birthday_of_Agnes_Pockels.html [25.06.2019].
Technische Universität Braunschweig (2012): Agnes Pockels (1862-1935), [online] https://www.tu-braunschweig.de/Medien-DB/agnespockelslab/download/chemkon_agnes_pockels.pdf [25.06.2019].
Universität Münster (o.J.): Agnes Pockels, [online] https://www.uni-muenster.de/Physik/department/committees/equality/women_and_physics/history/agnes_pockels.html [25.06.2019].
Kant, Horst (1996): Poincaré, Jules Henri (1854 – 1912), in: Kurt Jäger (Hrsg.), Lexikon der Elektrotechniker, Berlin und Offenbach: VDE-VERLAG, S. 277-278.
Enceclopaedia Britannica (o.J.): Henri Poincaré, [online] https://www.britannica.com/biography/Henri-Poincare [26.06.2019].
Spektrum der Wissenschaft (2010): Henri Poincaré (1854-1912): Vielseitiger „Unsterblicher“, [online] https://www.spektrum.de/wissen/jules-henri-poincare/1055650 [26.06.2019].